Seit Leslie Fiedlers Aufruf, den Graben zwischen Hoch- und Sub- bzw. Alltagskultur zu schließen hat sich viel getan: Der Terminus ‚Populärkultur‘ wurde eingesetzt und definiert und der Nutzen einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit den zugehörigen Gegenständen wurde diskutiert – beides mit heterogenen Ergebnissen. Davon abgesehen ist die konkrete wissenschaftliche Forschung an Artefakten populärer Kultur zugleich nur moderat gewachsen. Gerade in den Literaturwissenschaften verbleibt diese Forschung Desiderat, versteht man sich doch (auch) als Wahrer*innen eines ästhetisch wertigen Kanons und scheut sich, diesen zum ‚Trivialen‘ hin zu öffnen.
Unser Lab geht zunächst von einer gemeinsamen Nominaldefinition als Basis aus, die Populärkultur über ihre Artefakte versteht. Diese sind dadurch geprägt, dass sie zum einen ein großes Publikum erreichen und zum anderen von diesem Publikum als angenehm und lustvoll erlebt werden.
Im kulturellen Zusammenspiel ergeben sich hier überraschende Ambivalenzen und dialektische Verschränkungen, die den Ergebnissen und Maßstäben der Forschung geradewegs zuwiderlaufen: Obgleich sich popkulturelle Artefakte den herrschenden Diskursen in verschiedener Weise zu akkommodieren scheinen, so zeichnen sie sich zugleich dadurch aus, dass sie als Präfiguration aktueller Entwicklungen gelten dürfen, dass sie leitende Diskurse als hegemonial ausweisen oder sie zu opponieren und zu unterlaufen versuchen. An populärkulturellen Artefakten gerät die Reibung zwischen offiziellem Narrativ und sozialem Imaginärem in den Blick. Diese Dissonanzen im vermeintlich Konsonanten interessieren uns in unterschiedlicher medienhistorischer Konkretisierung.
Gemeinsames Forschungsprojekt mit
Prof. Dr. Julia Brühne
Dr. Hauke Kuhlmann
Dr. Laura Beck
im Rahmen von Worlds of Contradiction
Erzählen von Vergewaltigung in der deutschen Gegenwartsliteratur
Vergewaltigung ist als zentrales Thema der Literatur äußerst selten zu finden und wird zumeist in Zusammenhang mit Motiven der Verführung oder hinsichtlich einschlägiger Stoffe betrachtet. Im Fokus der Untersuchung sollen deswegen als sogenannte ‚Vergewaltigungsnarrationen‘ jene Erzählungen des 20. Jahrhunderts stehen, die den Akt sexualisierter Gewalt als zentrales Ereignis der Handlung setzen. Abseits der Konventionen operieren diese Darstellungen mit Verfahren, die, wie die erzähltheoretische Betrachtung zeigt, die Grenzüberschreitung durch die kunstvolle Verschränkung von Stimmen und Räumen deutlich machen. Dieses subversive Potenzial wird in Texten von Libuše Moníková, Stefan Schütz, Inka Parei und Karen Duve herausgearbeitet und nicht nur zu literarischen Traditionen in Beziehung gesetzt, sondern auch zu gesellschaftlich vorherrschenden Diskursen zu Vergewaltigung.
Populäre Serialität zwischen kritischer Rezeption und geschlechtertheoretischer Reflexion
Ob als Quality-TV, kreatives Leitmedium oder neuer Gesellschaftsroman – wie keine andere narrative Ausdrucksform haben Fernsehserien in den vergangenen Jahren an Popularität gewonnen und die mediale Berichterstattung bestimmt. Durch die zunehmende Verbreitung können die seriell vermittelten Erfahrungswelten das Einstellungs- und Wertegefüge ihres Publikums entscheiden mitprägen. Doch welche Gesellschaftsbilder werden im Spiegel moderner cineastischer Inszenierung reproduziert und verhandelt?
Der Sammelband „Gender & Genre“ nimmt sich dieser Frage aus Perspektive der Gender Studies an. Die einzelnen Beiträge legen an aktuellen Beispielen unterschiedlicher Seriengenres und -formate Geschlechterkonstruktionen und -narrative offen und hinterfragen sie mit Blick auf ihre gesellschaftspolitischen Dimensionen. Dabei spannt sich der Bogen vom japanischen Anime bis zur HBO-Produktion.
„Gender & Genre“ behandelt unter anderem die Serien Cowboy Bebop, Jekyll, The Sopranos, Saber Rider, Captain Future, Der Tatortreiniger, House of Cards, 30 Rock, Avatar – The Last Airbender, Wallander, The Wire, Orange Is the New Black, Mad Men, True Detective, Hart of Dixie, Boston Legal, Doctor Who, Rick & Morty, Californication und Sons of Anarchy.
Gefördert durch die Barbara und Alfred Röver-Stiftung
Gefördert durch das geistes- und kulturwissenschaftliche Graduiertenkolleg der Universität Kassel
Kontakt:
Dr. Urania Milevski | Bahnweg 19 | 55129 Mainz
E-Mail: post@urania-milevski.com